
Mallorcas „Call Vermell“ ist weit mehr als nur roter Boden; er ist der entscheidende Faktor, der dem Wein seine einzigartige Mineralität verleiht und die Landschaft der Insel durch die Jahreszeiten hindurch dramatisch formt.
- Die eisenreiche Zusammensetzung und geringe Wasserspeicherung des Bodens zwingen die Reben, tiefe Wurzeln zu schlagen, was zu einer hohen Konzentration an Mineralien in den Trauben führt.
- Die Ästhetik der Landschaft, von der kargen Schönheit im Winter bis zum feurigen Herbstlaub, ist eine direkte visuelle Widerspiegelung der geochemischen Prozesse im Boden.
Empfehlung: Um den wahren Charakter Mallorcas zu erleben, achten Sie bewusst auf die Verbindung zwischen der Farbe der Erde, dem Geschmack des lokalen Weins und der saisonalen Stimmung der Landschaft.
Wer über Mallorca fährt, dem fällt sie sofort ins Auge: die tiefrote, fast terrakottafarbene Erde, die sich wie ein roter Faden durch die Ebene im Zentrum der Insel zieht. Dieser Boden, von den Einheimischen „Call Vermell“ genannt, ist ein prägendes Merkmal der Landschaft. Viele Besucher sehen darin nur eine farbliche Kuriosität, eine malerische Kulisse für Urlaubsfotos. Man hört oft, der Boden sei einfach nur „eisenhaltig“ und das gäbe dem Wein eine gewisse „Mineralität“ – eine Erklärung, die an der Oberfläche kratzt, aber die tiefgreifende Wahrheit verfehlt.
Doch was wäre, wenn dieser Boden kein passiver Untergrund, sondern ein aktiver Gestalter wäre? Wenn der Call Vermell nicht nur das Fundament, sondern der Regisseur ist, der das Drehbuch für den Geschmack des Weins, die Ästhetik der Landschaft und sogar für die Regeln schreibt, die für Besucher in den Weinbergen gelten? Die wahre Faszination liegt nicht in der Farbe selbst, sondern in den Prozessen, die sie auslöst. Es ist eine Geschichte über Geologie, Chemie und Biologie, die in jeder Flasche Wein aus Binissalem und in jedem saisonalen Wandel der Landschaft erzählt wird.
Dieser Artikel gräbt tiefer. Wir werden die geochemische Brücke zwischen dem Eisen im Boden und der komplexen Sensorik im Weinglas schlagen. Wir erkunden, wie dieser Boden eine einzigartige Farbpalette für Fotografen kreiert und warum die Landschaft im Winter so „brutal“ und doch so wichtig erscheint. Wir entschlüsseln, warum autochthone Rebsorten hier eine perfekte Symbiose eingehen und wie all diese Faktoren zusammen zum neuen internationalen Ansehen der Weine aus Binissalem beitragen.
Die folgende Übersicht führt Sie durch die verschiedenen Facetten des Call Vermell und zeigt, wie dieser besondere Boden den Charakter Mallorcas von der Wurzel bis zur Traube und darüber hinaus definiert.
Inhalt: Der „Call Vermell“ – Mallorcas rotes Erbe von der Wurzel bis zur Traube
- Warum schmeckt der Wein von eisenhaltiger roter Erde anders?
- Wann ist die Färbung der Blätter am schönsten für Fotografen?
- Dürfen Sie durch offene Rebhänge laufen oder ist das Hausfriedensbruch?
- Warum sieht die Landschaft im Januar so kahl und „brutal“ aus?
- Wie unterscheidet sich die maschinelle Lese in der Ebene von der Handlese am Hang?
- Was macht diese autochthone Rebsorte so schwierig und gleichzeitig so einzigartig?
- Verschiebt sich die Blütezeit immer weiter in den Januar?
- Warum genießt der Wein aus Binissalem plötzlich internationales Ansehen?
Warum schmeckt der Wein von eisenhaltiger roter Erde anders?
Die Behauptung, Wein von roter Erde schmecke „mineralisch“, ist eine gängige Vereinfachung. Der wahre Grund für den unverwechselbaren Charakter liegt in einem Zusammenspiel aus Geochemie und Pflanzenphysiologie. Der Call Vermell ist ein ton- und kalkhaltiger Lehmboden, dessen rote Farbe von einem hohen Anteil an Eisenoxid herrührt. Entscheidend ist jedoch seine Struktur: Wie eine aktuelle Bodenanalyse für mallorquinische Weine zeigt, sorgt die geringe Wasserspeicherfähigkeit dafür, dass Niederschläge schnell in tiefere Schichten versickern. Dieser „positive Stress“ zwingt die Rebwurzeln, meterweit in die Tiefe zu wachsen, um an Wasser und Nährstoffe zu gelangen.
In diesen tieferen Gesteinsschichten findet die eigentliche Magie statt. Die Wurzeln nehmen dort nicht nur Wasser auf, sondern auch eine Fülle von Mineralien, die in den oberen Schichten weniger vorhanden sind. Der Weinexperte Daniel Münster beschreibt diesen Prozess im Weinfreunde Magazin treffend:
In den tieferen Erdschichten nehmen die Wurzeln der Reben neben Kalium vor allem Calcium, Magnesium, Eisen und Kupfer auf.
– Daniel Münster, Weinfreunde Magazin
Diese Mineralien, insbesondere Calcium und Eisen, beeinflussen die Pufferkapazität des Bodens und die Nährstoffverfügbarkeit, was sich direkt auf die Säurestruktur und die Phenolreife der Trauben auswirkt. Das Ergebnis ist kein simpler „Eisengeschmack“, sondern ein komplexes Mundgefühl: Weine vom Call Vermell zeigen oft eine straffe Tanninstruktur, eine spürbare Frische und einen langen, salzig anmutenden Abgang. Sie schmecken nicht nach Erde, sondern sie transportieren die strukturelle Signatur ihres tiefen, mineralreichen Ursprungs.
Fallbeispiel: Das Terroir-Bekenntnis von Ànima Negra
Die renommierte Weinkellerei Ànima Negra hat es sich zur Mission gemacht, genau diese „Authentizität des Terroirs“ in die Flasche zu bringen. Ihr Flaggschiffwein „ÀN“ wird als einzigartiger, mineralischer und kraftvoller Tropfen beschrieben, der den wilden Charakter der Insel widerspiegelt. Dieses Beispiel zeigt, wie Winzer gezielt die Eigenschaften des Call Vermell nutzen, um Weine mit einem starken, wiedererkennbaren Herkunftscharakter zu schaffen.
Wann ist die Färbung der Blätter am schönsten für Fotografen?
Der Call Vermell ist nicht nur für den Gaumen, sondern auch für das Auge ein Erlebnis. Als Fotograf oder Landschaftsliebhaber bietet dieser Boden eine dynamische Leinwand, die ihre Farben im Rhythmus der Jahreszeiten dramatisch verändert. Die intensivste und fotogenste Zeit ist jedoch nicht der Hochsommer, sondern der Spätherbst. Wenn die touristischen Ströme nachlassen, beginnt das eigentliche Farbspektakel in den Weinbergen.
Im November, nach der Lese, verfärbt sich das Laub der Rebstöcke in leuchtende Gold-, Orange- und Rottöne. Dieser „Indian Summer“ Mallorcas steht in einem atemberaubenden Kontrast zum tiefen, satten Rot des Bodens. Das flache Licht der Goldenen Stunde am späten Nachmittag wirkt wie ein natürlicher Sättigungsregler: Es lässt die Blätter von innen heraus leuchten und intensiviert die Terrakotta-Töne der Erde. Dies ist der Moment, in dem die Landschaft buchstäblich brennt und Fotografen einzigartige, fast malerische Aufnahmen gelingen.

Doch auch andere Jahreszeiten haben ihren Reiz. Im Frühling (März/April) schafft der zarte, fast neongrüne Blattaustrieb der Reben einen frischen, hoffnungsvollen Kontrast zum erdigen Rot. Und selbst im frühen Jahr, wenn die Mandelbäume blühen, entsteht ein faszinierendes Bild: Die kahlen, dunklen Rebzeilen auf rotem Grund bilden einen grafischen Vordergrund für das weiß-rosa Blütenmeer im Hintergrund. Die Mandelblüte beginnt oft schon Ende Januar, wobei besonders Mitte Februar die Mandelbäume in voller Pracht stehen.
Ihre Checkliste für die perfekte Weinberg-Fotografie
- Zeitpunkt wählen: Priorisieren Sie den Spätherbst (Oktober/November) für maximale Farbkontraste zwischen goldgelbem Laub und rotem Boden. Alternativ bietet der Frühling (März/April) den Kontrast von zartem Grün.
- Licht nutzen: Fotografieren Sie während der Goldenen Stunde (kurz nach Sonnenaufgang oder vor Sonnenuntergang). Das flache, warme Licht hebt die Textur des Bodens hervor und lässt die Blätter leuchten.
- Perspektive finden: Gehen Sie in die Hocke, um die Rebzeilen als führende Linien zu nutzen. Suchen Sie nach einzelnen, charaktervollen Rebstöcken als Vordergrundmotiv.
- Wetter einplanen: Ein klarer Himmel nach einem Regentag sorgt für besonders intensive Farben und eine staubfreie Luft. Die feuchte, dunklere Erde wirkt noch satter im Rotton.
- Details fokussieren: Machen Sie Makroaufnahmen von einzelnen Blättern oder Trauben, bei denen der unscharfe rote Boden als farblicher Hintergrund dient und die Textur des Hauptmotivs betont wird.
Dürfen Sie durch offene Rebhänge laufen oder ist das Hausfriedensbruch?
Die malerischen Weinberge, die sich auf dem roten Call Vermell erstrecken, laden zu einem Spaziergang ein. Doch was für deutsche Besucher oft selbstverständlich erscheint – das Betreten der freien Landschaft – ist auf Mallorca rechtlich anders geregelt. Die einfache Antwort lautet: Nein, das eigenmächtige Betreten von Weinbergen ist in der Regel nicht gestattet. Es handelt sich um landwirtschaftliche Nutzflächen und damit um Privatbesitz. Ein Spaziergang zwischen den Reben kann rechtlich als Hausfriedensbruch (allanamiento de morada) gewertet werden, auch wenn die Flächen nicht eingezäunt sind.
Im Gegensatz zum deutschen Bundesnaturschutzgesetz, das oft ein allgemeines Betretungsrecht für die freie Landschaft vorsieht, steht in Spanien der Schutz des Privateigentums im Vordergrund. Schilder wie „Prohibido el paso“ oder „Coto privado de caza“ (privates Jagdgebiet) sind eindeutige Hinweise, aber auch ihr Fehlen ist keine Einladung. Gepflegte Wege, Steinmauern (Trockenmauern) oder die Nähe zu einem Weingut (Bodega) signalisieren klar, dass Sie sich auf privatem Grund befinden.
Der Grund dafür ist nicht nur der Schutz der Privatsphäre, sondern auch der Schutz der wertvollen Ernte. Die Weinberge sind das Kapital der Winzer. Besucher könnten unbewusst Krankheiten (wie den Falschen Mehltau) von einem Weinberg zum anderen verschleppen oder die empfindlichen Rebstöcke beschädigen. Die wirtschaftliche Bedeutung dieser Flächen ist enorm. Allein im D.O.-Gebiet Binissalem werden auf einer Fläche, die nur einen Bruchteil der Gesamtweinbaufläche der Insel ausmacht, beachtliche Mengen produziert, wie aktuelle Zahlen der D.O. Binissalem belegen: Hier werden auf rund 240 Hektar über eine Million Flaschen Wein erzeugt, davon 75% Rotweine, die ihren Charakter maßgeblich dem Call Vermell verdanken.
Die gute Nachricht ist: Sie müssen nicht auf das Erlebnis verzichten. Viele Bodegas bieten offizielle Touren, Verkostungen und geführte Spaziergänge durch ihre Weinberge an. Dies ist der einzig legale und respektvolle Weg, die Kulturlandschaft hautnah zu erleben. Eine vorherige Reservierung ist dabei fast immer notwendig. So erhalten Sie nicht nur Zugang, sondern auch faszinierende Einblicke direkt vom Winzer.
Warum sieht die Landschaft im Januar so kahl und „brutal“ aus?
Wer Mallorca im Januar besucht, erlebt in den Weinregionen um Binissalem und Santa Maria ein Bild von strenger, fast brutaler Schönheit. Die Rebstöcke sind nach dem Winterschnitt auf ihre knorrigen, dunklen Stämme reduziert. Sie stehen in scharfen, grafischen Linien auf der leuchtend roten Erde, die nach den Winterregen besonders satt gefärbt ist. Diese Kargheit ist kein Zeichen von Verfall, sondern der essenzielle Ruhezustand des Weins, die sogenannte Winterruhe.
In dieser Phase sammelt der Rebstock Kraft für den kommenden Austrieb. Der drastische Rückschnitt konzentriert die Energie auf wenige Knospen, was die Grundlage für eine hohe Traubenqualität im nächsten Herbst ist. Die „brutale“ Optik ist also ein Versprechen für die Zukunft. Die kahlen Stämme lenken den Blick auf das Wesentliche: die einzigartige Symbiose aus Pflanze und Boden. Nirgendwo sonst im Jahr ist die Dominanz des Call Vermell in der Landschaft so deutlich sichtbar. Die rote Erde ist nicht von üppigem Grün verdeckt, sondern präsentiert sich in ihrer reinsten Form.
Genau in diese scheinbare Leere platzt eines der größten Naturschauspiele Europas. Während die Weinreben noch ruhen, explodiert die Landschaft um sie herum. Wie das DERTOUR Reisemagazin beschreibt, verwandelt die Mandelblüte die Insel in ein Farbenmeer:
Von ungefähr Mitte Januar bis Anfang März verwandeln die zahllosen blühenden Mandelbäume die Insel in ein Meer aus weißen und rosafarbenen Blüten.
– DERTOUR Reisemagazin, Mandelblüte auf Mallorca
Dieser Kontrast ist überwältigend. Die kargen, dunklen Weinberge auf rotem Grund bilden den perfekten Vordergrund für die zarte, fast unwirkliche Pracht der Mandelblüte. Reiseberichte schwärmen von den Ausblicken auf dem Weg von Lluc nach Fornalutx, wo sich die Blüten der Mandelbäume zwischen Orangen- und Zitronenbäume mischen. Die „brutale“ Landschaft des Januars ist also in Wahrheit eine Bühne, auf der sich der erste Akt des mallorquinischen Frühlings mit spektakulärem Kontrast abspielt.
Wie unterscheidet sich die maschinelle Lese in der Ebene von der Handlese am Hang?
Die Art der Weinlese ist eine fundamentale Entscheidung des Winzers, die maßgeblich von der Topografie und dem Qualitätsanspruch geprägt ist. Auf den weiten, flachen Ebenen Mallorcas, wo der Call Vermell dominiert, ist die maschinelle Lese oft eine wirtschaftlich sinnvolle Option. Moderne Traubenvollernter fahren über die Rebzeilen und rütteln die Beeren von den Stielen. Dieser Prozess ist schnell, effizient und kann nachts bei kühleren Temperaturen stattfinden, was die Oxidation der Trauben minimiert und die Frische der Aromen bewahrt.
Die Handlese ist hingegen die Methode der Wahl in Steillagen, bei alten, knorrigen Rebstöcken oder wenn eine parzellengenaue Selektion für Premiumweine angestrebt wird. Erfahrene Erntehelfer gehen mit kleinen Scheren durch die Reihen und schneiden jede Traube einzeln ab. Dies ermöglicht eine strenge Qualitätskontrolle direkt am Stock: Nur reife, gesunde Trauben werden geerntet. Beschädigte oder unreife Beeren bleiben hängen. Diese Methode ist zwar deutlich langsamer und teurer, aber sie schont die Trauben und gewährleistet, dass nur das beste Lesegut in den Keller kommt.
Der Bodentyp selbst beeinflusst die Entscheidung indirekt. Böden wie der Call Vermell, die eine hohe Mineralienkonzentration fördern, rechtfertigen oft den Mehraufwand der Handlese, um das volle Qualitätspotenzial auszuschöpfen. Wie das Deutsche Weininstitut auch für deutsche Lagen mit guter Wasserversorgung berichtet, können Reben aus solchen Böden besonders viele Mineralien einlagern, was extraktreiche Weine mit ausgeprägter Mineralität erwarten lässt. Um dieses Potenzial nicht zu schmälern, ist eine schonende Verarbeitung entscheidend, die oft mit der Handlese beginnt.
Zusammenfassend lässt sich sagen: Die maschinelle Lese in der Ebene ist auf Effizienz und Quantität bei guter Grundqualität ausgerichtet. Die Handlese, besonders an Hängen oder für besondere Lagen, priorisiert die Selektion und maximale Qualität. Viele Spitzenweingüter auf Mallorca kombinieren beide Methoden – die maschinelle Lese für Basisweine und die Handlese für ihre Lagenweine und Reservas, um das Beste aus dem Terroir des Call Vermell herauszuholen.
Was macht diese autochthone Rebsorte so schwierig und gleichzeitig so einzigartig?
Mallorcas Weinrenaissance ist untrennbar mit der Wiederentdeckung seiner autochthonen, also einheimischen Rebsorten verbunden. Allen voran stehen die roten Sorten Manto Negro und Callet. Diese Reben sind über Jahrhunderte perfekt an die lokalen Bedingungen, insbesondere an den Call Vermell, angepasst. Doch gerade diese Spezialisierung macht ihren Anbau zu einer Herausforderung für Winzer – und ihre Weine so einzigartig.
Eine der schwierigsten und gleichzeitig faszinierendsten Sorten ist die Callet. Sie neigt dazu, Weine mit relativ niedrigem Alkoholgehalt und heller Farbe hervorzubringen. Wie der Click Mallorca Wine Guide anmerkt, ist dies eine Eigenschaft, die ihre Verarbeitung nicht einfach macht: Einige vergleichen sie mit Pinot Noir, einer Sorte, die ebenfalls für ihre Dünnhäutigkeit und ihren anspruchsvollen Charakter bekannt ist. Der niedrige Alkoholgehalt erfordert vom Winzer präzises Arbeiten im Weinberg und Keller, um dennoch Struktur und Tiefe zu erzielen. Gelingt dies, entstehen elegante, duftige Weine mit einer seidigen Textur und einer bemerkenswerten Frische – ein Stil, der international immer mehr Anklang findet.

Die Einzigartigkeit dieser Sorten ergibt sich aus ihrer Symbiose mit dem Call Vermell. Wie auf den Lagen von Sistema Vinari zu beobachten ist, wachsen Callet, Manto Negro und Fogoneu vorwiegend auf diesen typischen roten, sehr eisenhaltigen Kalk-Ton-Lehmböden. Diese Böden zwingen die Reben nicht nur zur tiefen Wurzelbildung, sondern ihre spezifische Nährstoffzusammensetzung scheint das aromatische Profil dieser Sorten zu prägen. Anstatt auf internationale, kraftvolle „Blockbuster“-Weine zu setzen, bringen sie filigrane, würzige und terroirtypische Aromen hervor, die von wilden Kräutern, roten Früchten und einer erdigen Note geprägt sind.
Die Schwierigkeit liegt also darin, das feine Potenzial dieser Sorten zu erkennen und zu fördern, anstatt sie in ein Korsett internationaler Stilistiken zu zwingen. Die Einzigartigkeit ist das Ergebnis: Weine, die nicht austauschbar sind, sondern eine unverkennbare Geschichte ihres Ursprungs erzählen – die Geschichte einer alten Rebe auf uraltem, rotem Boden.
Verschiebt sich die Blütezeit immer weiter in den Januar?
Die Mandelblüte ist Mallorcas berühmtester Vorbote des Frühlings und ein sensibles Barometer für klimatische Veränderungen. Traditionell liegt die Hauptblütezeit, in der die über 7 Millionen Mandelbäume der Insel in voller Pracht stehen, zwischen Ende Januar und Anfang März, mit einem Höhepunkt Mitte Februar. Doch seit einigen Jahren beobachten Einheimische und Landwirte eine deutliche Tendenz: Die Blüte beginnt immer früher.
Dieses Phänomen ist eine direkte Folge der globalen Erwärmung. Mildere Winter, insbesondere ein warmer Dezember, „wecken“ die Bäume früher aus ihrer Winterruhe. Einem Bericht von Mallorca-Experten zufolge gab es Jahre, in denen die Entwicklung besonders früh einsetzte: „Der Dezember war sehr mild, was die Mandelbäume besonders im Südosten der Insel schon in Frühlingsstimmung bringt. Falls es so mild weitergeht, ist die flächendeckende Mandelblüte bestimmt schon Ende Januar.“ Dies zeigt, wie sensibel das Ökosystem auf Temperaturschwankungen reagiert.
Was für Touristen eine willkommene Verlängerung der „rosa Saison“ sein mag, birgt für die Landwirtschaft erhebliche Risiken. Eine zu frühe Blüte macht die Bäume anfällig für Spätfröste, die im Februar oder sogar Anfang März noch auftreten können. Erfrieren die zarten Blüten, fällt die Mandelernte des Jahres katastrophal aus. Dies hat nicht nur wirtschaftliche Folgen für die Mandelbauern, sondern beeinflusst auch das gesamte Ökosystem, das von der Bestäubung durch Bienen während der Blütezeit abhängt.
Für den Weinbau ist diese Beobachtung ebenfalls relevant. Auch die Weinreben reagieren auf wärmere Winter mit einem früheren Austrieb (dem sogenannten „Augenbruch“). Dies erhöht auch hier das Risiko von Spätfrostschäden an den jungen, empfindlichen Trieben. Die Verschiebung der Mandelblüte ist somit mehr als nur eine Kalenderfrage; sie ist ein sichtbares Warnsignal, das die Verletzlichkeit der mallorquinischen Landwirtschaft im Klimawandel unterstreicht und Winzer wie Mandelbauern vor neue Herausforderungen stellt.
Das Wichtigste in Kürze
- Der Charakter des „Call Vermell“ geht über seine rote Farbe hinaus; seine geringe Wasserspeicherung und hohe Mineralität definieren den Weingeschmack.
- Autochthone Rebsorten wie Callet und Manto Negro sind eine Herausforderung im Anbau, entfalten aber in Symbiose mit diesem Boden ein einzigartiges, filigranes Aroma.
- Die Ästhetik der Landschaft, von der kargen Winterruhe bis zum farbenprächtigen Herbst, ist direkt an die Eigenschaften des Bodens gekoppelt und bietet zu jeder Jahreszeit eine besondere visuelle Erfahrung.
Warum genießt der Wein aus Binissalem plötzlich internationales Ansehen?
Der Wein aus der D.O. Binissalem, dem Herzen des Call Vermell-Gebiets, war lange Zeit ein Geheimtipp, der hauptsächlich auf der Insel selbst konsumiert wurde. In den letzten Jahren hat sich dies dramatisch geändert. Weine von Weingütern wie José L. Ferrer, Macià Batle oder Ànima Negra finden sich plötzlich auf den Karten internationaler Spitzenrestaurants und erhalten hohe Bewertungen von Weinkritikern. Dieser Aufstieg ist kein Zufall, sondern das Ergebnis einer konsequenten Rückbesinnung auf die eigenen Stärken.
Der entscheidende Faktor ist die Wiederentdeckung des Terroirs. Anstatt zu versuchen, internationale Rebsorten wie Cabernet Sauvignon oder Merlot zu kopieren, haben visionäre Winzer begonnen, das einzigartige Potenzial der Kombination aus Call Vermell und autochthonen Rebsorten zu nutzen. Sie haben verstanden, dass die Eleganz einer Callet-Traube oder die würzige Struktur einer Manto Negro, gepaart mit der Mineralität des eisenreichen Bodens, etwas schaffen, das nirgendwo sonst auf der Welt reproduziert werden kann. Dies ist ihre „Unique Selling Proposition“.
Diese neue Generation von Winzern investierte in moderne Kellertechnik, um die filigranen Aromen zu bewahren, und praktiziert eine sorgfältige Arbeit im Weinberg, oft mit Handlese, um die Qualität zu maximieren. Sie produzieren keine lauten, alkoholstarken Weine, sondern charaktervolle Gewächse, die ihre Herkunft stolz präsentieren. Dieser authentische Stil trifft genau den Nerv eines globalen Weinmarktes, der zunehmend nach Einzigartigkeit und „sense of place“ sucht. Die Gesamtproduktion auf der Insel ist überschaubar, wie aktuelle Produktionszahlen zeigen, die von rund 45.000 Hektolitern auf etwa 2.300 Hektar sprechen. Diese relative Knappheit erhöht die Begehrlichkeit zusätzlich.
Das internationale Ansehen ist also die logische Konsequenz aus der mutigen Entscheidung, auf Authentizität statt auf Anpassung zu setzen. Es ist die Anerkennung für die harte Arbeit, die es erfordert, schwierige Rebsorten auf einem anspruchsvollen Boden zu meistern. Der Wein aus Binissalem genießt heute Ansehen, weil er endlich wieder schmeckt wie er schmecken soll: nach Mallorca, nach Call Vermell.
Um die faszinierende Welt des Call Vermell und seiner Weine wirklich zu erleben, ist der nächste logische Schritt, diese Landschaft selbst zu erkunden. Planen Sie eine Reise entlang der Weinstraße von Binissalem und besuchen Sie eine der Bodegas für eine Führung und Verkostung, um die Verbindung von Boden, Rebe und Glas mit allen Sinnen zu erfahren.
Häufig gestellte Fragen zum Call Vermell und den Weinbergen Mallorcas
Sind mallorquinische Weinberge öffentlich zugänglich?
Nein, die meisten Weinberge auf Mallorca sind Privatbesitz. Anders als in Deutschland gibt es kein allgemeines Betretungsrecht der freien Landschaft. Das Betreten ohne Erlaubnis kann als Hausfriedensbruch gelten.
Wie erkenne ich private Weinberge?
Gepflegte Wege, charakteristische Trockensteinmauern, die Nähe zu Gebäuden wie Bodegas oder Fincas sowie Schilder wie „Prohibido el paso“ (Durchgang verboten) oder „Coto Privado“ (Privatgrund) sind klare Indikatoren für Privatbesitz.
Gibt es legale Alternativen für Weinbergbesuche?
Ja, zahlreiche Weingüter bieten legale und bereichernde Alternativen an. Sie können Besuche in Weinbergen und Weinkellereien mit Weinproben sowie andere von den Weingütern angebotene Aktivitäten genießen. Hierfür ist in der Regel eine vorherige Reservierung erforderlich.