
Mallorca ist weit mehr als nur ein Strandparadies; es ist ein lebendiges geologisches Freilichtmuseum, dessen wahre Schätze sich erst bei genauerem Hinsehen offenbaren.
- Die Höhlensysteme im Osten sind durch einzigartige marine Einflüsse geprägt, die sie von kontinentaleuropäischen Pendants unterscheiden.
- Die dramatische Serra de Tramuntana ist das Ergebnis gewaltiger tektonischer Kräfte, die eine Landschaft von rauer Schönheit und geologischer Instabilität schufen.
- Die Küstenformationen wie Es Pontàs sind nicht nur Fotomotive, sondern erzählen auch die Geschichte von Millionen von Jahren der Erosion durch Wind und Wasser.
Empfehlung: Betrachten Sie Ihre nächste Mallorca-Reise als eine geologische Expedition. Lernen Sie, die Landschaft zu „lesen“, um ihre verborgene Entstehungsgeschichte zu verstehen und Orte von atemberaubender, ursprünglicher Schönheit zu entdecken.
Wenn die meisten Menschen an Mallorca denken, tauchen Bilder von sonnenverwöhnten Stränden, pulsierendem Nachtleben und malerischen Dörfern auf. Diese Facetten sind zweifellos Teil des Charmes der Insel. Doch für den neugierigen Reisenden, den Naturfotografen oder den Geologie-Enthusiasten verbirgt sich unter dieser bekannten Oberfläche eine weitaus ältere und dramatischere Geschichte – eine Geschichte, die in Stein gemeißelt ist. Die typischen Empfehlungen führen oft zu den weltberühmten Cuevas del Drach oder auf eine generische Wanderung in der Serra de Tramuntana. Diese Orte sind beeindruckend, kratzen aber nur an der Oberfläche dessen, was Mallorca geologisch zu bieten hat.
Doch was wäre, wenn der Schlüssel zum wahren Verständnis der Insel nicht in der Betrachtung der Landschaft, sondern im Lesen ihrer geologischen Signatur liegt? Was, wenn jede Klippe, jede Höhle und jedes Feuchtgebiet ein Kapitel in einem Millionen Jahre alten Buch ist? Dieser Artikel verfolgt genau diesen Ansatz. Wir tauchen tief in die Materie ein und behandeln Mallorca nicht als Urlaubsziel, sondern als ein faszinierendes, geologisches Freilichtmuseum. Wir entschlüsseln die einzigartigen Karstprozesse, die die Höhlen geformt haben, die tektonische Kompression, die das Tramuntana-Gebirge emporgehoben hat, und die unermüdliche Erosion, die ikonische Felsformationen wie Es Pontàs geschaffen hat.
Dieser Guide ist für all jene gedacht, die mehr als nur ein schönes Foto suchen. Er ist für diejenigen, die die Geschichte hinter der Szenerie verstehen wollen. Wir werden die drei wichtigsten geologischen Formationen der Insel nicht nur vorstellen, sondern ihre Entstehung kontextualisieren, die Wissenschaft dahinter beleuchten und Ihnen zeigen, wie Sie diese Naturwunder sicher und authentisch erleben können. Machen Sie sich bereit, Mallorca mit den Augen eines Geologen zu sehen.
Um Ihnen die Erkundung dieser geologischen Wunder zu erleichtern, haben wir diesen Artikel in übersichtliche Abschnitte gegliedert. Jeder Teil widmet sich einer spezifischen geologischen Formation oder einem damit verbundenen Aspekt und liefert Ihnen detaillierte Informationen und praktische Ratschläge für Ihr Abenteuer.
Inhaltsverzeichnis: Mallorcas geologische Geheimnisse entschlüsselt
- Warum sind Mallorcas Höhlensysteme im Osten so einzigartig in Europa?
- Wie erreichen Sie die bizarren Felsformationen von Sa Calobra sicher zu Fuß?
- S’Albufera oder Es Trenc: Welches Biotop bietet mehr für Vogelbeobachter?
- Das Risiko an der Abbruchkante, das Selfie-Jäger oft ignorieren
- Wann leuchtet der Fels von Es Pontàs am spektakulärsten für Ihr Foto?
- Waren es Wachtürme, Speicher oder Kultstätten? Die Debatte der Wissenschaftler
- Die Gefahr unter den Klippen, die Badegäste in Buchten oft vergessen
- Wie erleben Sie die Serra de Tramuntana authentisch, ohne Spuren zu hinterlassen?
Warum sind Mallorcas Höhlensysteme im Osten so einzigartig in Europa?
Tropfsteinhöhlen gibt es viele in Europa, doch die Systeme im Osten Mallorcas besitzen eine geologische Signatur, die sie unverwechselbar macht. Ihre Einzigartigkeit liegt nicht nur in der schieren Schönheit ihrer Stalaktiten und Stalagmiten, sondern in ihrer Entstehungsgeschichte, die untrennbar mit dem Mittelmeer verbunden ist. Während viele kontinentale Höhlen reine Karstphänomene sind, wurden Mallorcas Grotten maßgeblich durch die Schwankungen des Meeresspiegels geformt. Eine Studie belegt, dass die Formationen in den Cuevas de Artà Hinweise auf einen um 16 Meter höheren Meeresspiegel und 3,3 Millionen Jahre alte Ablagerungen aufweisen. Dieser direkte marine Einfluss schuf horizontale Ebenen und einzigartige Kristallisationsformen, die man in Binnenhöhlen vergeblich sucht.
Besonders faszinierend ist die geologische Verwandtschaft zu Deutschland. Eine vergleichende Studie hat gezeigt, dass die Gesteinsschichten des Tramuntana-Gebirges eine erstaunliche Ähnlichkeit mit denen in Süddeutschland aufweisen. Doch wie deutsche Geologen feststellten, besteht der entscheidende Unterschied darin, dass auf Mallorca zusätzliche Vulkanite die Schichten durchdringen. Diese Kombination aus vertrautem mesozoischem Kalkstein und vulkanischer sowie mariner Aktivität macht die Höhlen zu einem geologischen Hybrid – einem Ort, an dem sich mitteleuropäische und mediterrane Erdgeschichte treffen.
Die visuellen Ergebnisse dieser komplexen Prozesse sind atemberaubend. Die unterirdischen Seen spiegeln die filigranen Formationen wider und erzeugen ein Gefühl von unendlicher Tiefe und Zeitlosigkeit.

Wie Sie auf dem Bild sehen können, sind es nicht nur die von der Decke hängenden Stalaktiten, sondern auch die vom Boden wachsenden Stalagmiten, die durch das mineralreiche Wasser geformt werden. An manchen Stellen verschmelzen sie zu mächtigen Säulen und schaffen eine Kathedrale aus Stein, die über Äonen gewachsen ist. Dieses Zusammenspiel aus Gestein, Wasser und Zeit ist die Essenz der Karstprozesse, die hier in Perfektion zu beobachten sind.
Wie erreichen Sie die bizarren Felsformationen von Sa Calobra sicher zu Fuß?
Sa Calobra ist nicht nur ein Ziel, sondern eine Reise durch das Herz der mallorquinischen Geologie. Die berühmte Serpentinenstraße Ma-2141, die sich zum Torrent de Pareis hinabschlängelt, ist selbst ein Meisterwerk der Ingenieurskunst, das sich durch eine Landschaft schneidet, die von gewaltigen Kräften geformt wurde. Die bizarren Felsformationen sind das direkte Ergebnis der tektonischen Kompression, die vor Millionen von Jahren die gesamte Serra de Tramuntana emporgehoben hat. Seit dem 27. Juni 2011 ist dieses Gebirge zurecht UNESCO-Welterbe, eine Auszeichnung für seine einzigartige Verbindung von physischer und kultureller Bedeutung.
Die Wanderung durch die Schlucht des Torrent de Pareis zur Mündung ins Meer ist spektakulär, aber nicht zu unterschätzen. Die mallorquinischen Wanderwege sind oft anspruchsvoller als vergleichbare, gut markierte Routen in den Alpen. Sicherheit ist hier oberstes Gebot. Das bedeutet vor allem eine exzellente Vorbereitung. Da in den tiefen Schluchten kein Mobilfunkempfang vorhanden ist, ist das Herunterladen von Offline-Karten unerlässlich. Planen Sie zudem ausreichend Wasser ein; auch wenn die Serra de Tramuntana erhebliche Niederschlagsmengen verzeichnet, sind Wasserquellen auf der Wanderung selbst rar.
Eine weitere, oft unterschätzte Gefahr sind die plötzlichen Fallwinde, die vom Tramuntana-Gebirge herabwehen und an exponierten Stellen gefährlich werden können. Prüfen Sie daher vor Antritt der Wanderung unbedingt die lokalen Windverhältnisse. Der sicherste Weg, Sa Calobra zu Fuß zu erreichen, ist nicht nur eine Frage der richtigen Ausrüstung, sondern vor allem des Respekts vor der unberechenbaren Natur dieser geologisch aktiven Landschaft. Die Belohnung ist ein unvergessliches Erlebnis in einer Schlucht, die wie eine offene Wunde in der Erdkruste wirkt und die rohe Kraft der Natur offenbart.
S’Albufera oder Es Trenc: Welches Biotop bietet mehr für Vogelbeobachter?
Auf den ersten Blick scheinen S’Albufera und Es Trenc ähnliche Paradiese für Vogelbeobachter zu sein. Beide Feuchtgebiete ziehen eine beeindruckende Vielfalt an Vogelarten an. Doch die Antwort auf die Frage, welches Biotop „mehr“ bietet, liegt nicht in der reinen Artenzahl, sondern in der geologischen Grundlage, die die jeweiligen Ökosysteme bestimmt. Die Vogelwelt ist hier nur der sichtbare Ausdruck der darunterliegenden Erdgeschichte. Um die Unterschiede zu verstehen, muss man wissen, dass die Insel eine besondere geologische Beschaffenheit hat.
90% der Oberfläche Mallorcas bestehen aus Kalkstein, was die spezifischen hydrologischen Bedingungen beider Feuchtgebiete prägt
– Privateholiday.de Geologie-Portal, Geologische Übersicht Mallorca
Diese Dominanz des Kalksteins beeinflusst, wie Wasser gespeichert und gefiltert wird, und schafft so fundamental unterschiedliche Lebensräume. S’Albufera, ein ausgedehntes Schwemmland, profitiert von einem ganzjährig hohen Grundwasserspiegel, genährt durch die Zuflüsse aus dem Tramuntana-Gebirge. Dies schafft ein stabiles, nährstoffreiches Umfeld, ideal für eine immense Vielfalt an Zugvögeln, insbesondere von September bis Mai. Es Trenc hingegen ist ein fragiles Dünensystem, dessen Wasserverfügbarkeit stark von saisonalen Regenfällen abhängt. Hier dominieren salztolerante Pflanzen und spezialisierte Brutvögel im Frühling. Die folgende Tabelle, basierend auf einer vergleichenden Analyse geologischer Daten, verdeutlicht die Unterschiede.
| Merkmal | S’Albufera (Schwemmland) | Es Trenc (Dünensystem) |
|---|---|---|
| Geologische Entstehung | Quartäre Sedimentablagerungen | Fossile Dünenbildung |
| Bodentyp | Eisenhaltige Tonerde mit roter Färbung | Kalksand-Ablagerungen |
| Wasserverfügbarkeit | Ganzjährig hoher Grundwasserspiegel | Saisonal schwankend |
| Vogelarten-Vielfalt | Über 200 Arten dokumentiert | Ca. 170 Arten |
| Beste Beobachtungszeit | September-Mai (Zugvögel) | April-Juni (Brutvögel) |
Letztendlich bietet also keines der Biotope objektiv „mehr“. S’Albufera bietet eine höhere Artenvielfalt und Beständigkeit für Beobachter von Zugvögeln im Herbst und Winter. Es Trenc bietet ein einzigartiges, spezialisiertes Erlebnis für Liebhaber von Brutvögeln und Küstenarten im Frühling. Ihre Wahl hängt also von Ihren persönlichen Interessen und der Jahreszeit ab – eine Entscheidung, die direkt von den unterschiedlichen hydrologischen Bedingungen der beiden Standorte diktiert wird.
Das Risiko an der Abbruchkante, das Selfie-Jäger oft ignorieren
Die Klippen Mallorcas, wie am Cap de Formentor oder an der Westküste, bieten zweifellos einige der dramatischsten Fotomotive Europas. Doch der Drang, das perfekte Selfie direkt an der Abbruchkante zu schießen, birgt eine unsichtbare und oft tödliche Gefahr. Die majestätische Schönheit dieser Felswände ist das Ergebnis einer fortwährenden geologischen Instabilität. Die Insel ist keine statische Masse, sondern ein dynamisches System, das durch Erosion und tektonische Spannungen ständig geformt wird. Die geologische Instabilität zeigt sich in der Tatsache, dass die Insel durch die tektonische Kompression einen Flächenverlust von 55% erlitten hat. Diese gewaltigen Kräfte wirken bis heute im Untergrund.
Der Kalkstein, aus dem die meisten Klippen bestehen, ist anfällig für Verwitterung durch Regen, Wind und Salzwasser. Kleine Risse können sich unbemerkt zu großen Spalten ausweiten, die die Stabilität ganzer Felsvorsprünge untergraben. Was als solider Grund erscheint, kann eine trügerische, dünne Schicht über einem Hohlraum sein. Besonders nach starken Regenfällen ist die Erosionsgefahr stark erhöht, da das Wasser in die Felsspalten eindringt und das Gestein von innen heraus schwächt. Das Risiko ist real und wird durch die zunehmende Zahl von Unfällen belegt, bei denen Touristen auf der Suche nach dem spektakulärsten Bild abstürzen.
Als Geologe und Naturführer appelliere ich an die Vernunft: Bewundern Sie die Klippen aus sicherer Entfernung. Kein Foto der Welt ist es wert, Ihr Leben zu riskieren. Die wahre Erhabenheit der Landschaft liegt nicht in der Nähe zur Gefahr, sondern im Verständnis der gewaltigen Kräfte, die sie geschaffen haben. Um Ihren Besuch an diesen Orten sicher zu gestalten, ist es unerlässlich, einige grundlegende Verhaltensregeln zu beachten.
Checkliste: Sicherheit an Mallorcas Klippen
- Abstand wahren: Halten Sie stets einen Mindestabstand von 5 Metern zur Klippenkante ein. Verlassen Sie sich niemals auf Absperrungen.
- Wetter beobachten: Seien Sie bei Regen und in den 48 Stunden danach besonders vorsichtig. Vermeiden Sie bei Windgeschwindigkeiten über 40 km/h die Nähe zu exponierten Stellen.
- Versicherungsschutz prüfen: Informieren Sie sich, ob Ihre Versicherung grobe Fahrlässigkeit abdeckt. Das Ignorieren von Warnschildern kann zum Verlust des Schutzes führen.
- Notfallkontakt speichern: Speichern Sie die Nummer der Bergrettung Mallorca (+34 112) in Ihrem Telefon, bevor Sie sich in abgelegene Gebiete begeben.
- Festes Schuhwerk tragen: Auch für einen kurzen Fotostopp ist festes, rutschfestes Schuhwerk unerlässlich. Der Untergrund ist oft lose und uneben.
Wann leuchtet der Fels von Es Pontàs am spektakulärsten für Ihr Foto?
Es Pontàs, das monumentale Felsentor im Südosten Mallorcas, ist eine Ikone der Insel. Doch um sein volles fotografisches Potenzial auszuschöpfen, reicht es nicht, einfach nur zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein. Man muss die geologische Beschaffenheit des Felsens verstehen. Es Pontàs besteht, wie ein Großteil der Insel, aus hellem mesozoischem Dolomit und Kalkstein, der etwa 170 bis 10 Millionen Jahre alt ist. Diese spezifische Gesteinsart ist der Schlüssel zu seinem magischen Leuchten.
Die Antwort auf die Frage nach dem besten Licht ist eindeutig die „Goldene Stunde“ – die kurze Zeitspanne kurz nach Sonnenaufgang und vor Sonnenuntergang. Während dieser Zeit trifft das Sonnenlicht in einem flachen Winkel auf den Felsen. Das warme, weiche Licht hebt die raue Textur des Kalksteins hervor, modelliert jede Erosionrille und taucht das gesamte Tor in einen goldenen bis rötlichen Schimmer. Der Kontrast zwischen dem warm leuchtenden Felsen und dem tiefblauen Meer ist dann am stärksten. Das Ergebnis sind Bilder von unglaublicher Tiefe und Farbintensität.
Diese dramatische Szenerie, ein einsames Felsentor, das den Wellen trotzt, ist der perfekte Moment, um die Kraft der Natur visuell einzufangen.

Interessanterweise bietet auch der Winter eine besondere Chance für Fotografen. Da die Sonne tiefer am Horizont steht und früher hinter der Serra de Tramuntana verschwindet, verlängert sich die „Blaue Stunde“ nach Sonnenuntergang. In diesem kühlen, diffusen Licht wirkt Es Pontàs mystisch und geheimnisvoll, eine völlig andere, aber ebenso fesselnde Stimmung. Die Wahl zwischen dem warmen Drama der Goldenen Stunde und der kühlen Poesie der Blauen Stunde hängt letztlich von der gewünschten Bildaussage ab – beides sind Geschenke der mallorquinischen Geologie an den aufmerksamen Fotografen.
Waren es Wachtürme, Speicher oder Kultstätten? Die Debatte der Wissenschaftler
Lange bevor die ersten Touristen die Strände Mallorcas entdeckten, war die Insel Heimat einer faszinierenden prähistorischen Zivilisation: der Talayot-Kultur. Zwischen 1500 und 300 v. Chr. errichteten diese Menschen beeindruckende Megalithbauten, die Talayots, die noch heute die Landschaft prägen. Die wissenschaftliche Debatte über ihre genaue Funktion – ob Wachtürme, zeremonielle Kultstätten oder gemeinschaftliche Speicher – ist noch immer im Gange. Doch aus geologischer Sicht ist eine andere Frage ebenso spannend: Wie konnten diese Bauten die Jahrtausende überdauern?
Die Antwort liegt im Material und im Standort. Die Talayot-Erbauer waren Meister der lokalen Geologie. Sie verwendeten fast ausschließlich den lokal verfügbaren „Marès“-Kalkstein, ein relativ weiches, aber widerstandsfähiges Gestein. Diese Wahl war nicht nur praktisch, sondern ermöglicht modernen Archäologen heute eine präzise Datierung durch Verwitterungsanalyse. Die Geschwindigkeit, mit der die Steinoberfläche über die Jahrhunderte erodiert, gibt Aufschluss über das Alter der Bearbeitung. Es ist eine faszinierende Verbindung von Archäologie und Geologie.
Noch aufschlussreicher ist die strategische Platzierung der rund 20 bekannten Siedlungen. Sie befinden sich ausnahmslos an Orten, die aus geologischer Sicht optimal waren: in der Nähe von Süßwasserquellen, auf leicht zu verteidigenden Anhöhen und angrenzend an fruchtbare Ebenen. Diese durchdachte Raumplanung zeigt, dass die Talayot-Kultur ein tiefes, intuitives Verständnis für die geologischen und hydrologischen Gegebenheiten ihrer Insel besaß. Ob die Talayots nun als Wachtürme dienten oder nicht, ihre Standorte waren zweifellos strategisch gewählt, um das Überleben in dieser vom Kalkstein geprägten Landschaft zu sichern.
Die Gefahr unter den Klippen, die Badegäste in Buchten oft vergessen
Die idyllischen Buchten (Calas) Mallorcas, eingerahmt von steilen Felsklippen, sind das Sinnbild eines perfekten Strandtages. Doch während die meisten Badegäste den Blick auf das türkisfarbene Wasser richten, vergessen sie die unsichtbare Gefahr, die sowohl von oben als auch von unten lauert. Die Gefahr von Steinschlag durch die instabilen Klippen ist bekannt, aber eine weniger offensichtliche Bedrohung schlummert im Meeresboden. Die Region zwischen Mallorca und Ibiza ist geologisch weitaus aktiver, als man annehmen würde. In diesem Gebiet entdeckten Wissenschaftler ein riesiges Feld von 118 versunkenen Vulkanen auf einer Fläche von nur 1000 km². Auch wenn diese Vulkane derzeit ruhen, sind sie ein Beleg für die tektonische Aktivität der Region.
Diese geologische Aktivität kann unvorhersehbare Folgen haben, wie zum Beispiel submarine Erdrutsche, die kleine, lokale Tsunami-Wellen auslösen können. Ein plötzlicher und unerklärlicher Rückzug des Wassers von der Küste ist ein klassisches Warnsignal, das sofortige Flucht in höher gelegene Bereiche erfordert. Eine weitere, häufigere Gefahr sind Rippströmungen (Rip Currents). Diese starken, kanalförmigen Strömungen fließen von der Küste weg und können selbst geübte Schwimmer ins offene Meer ziehen. Sie entstehen oft in der Nähe von Felsvorsprüngen oder an den Rändern von Sandbänken – beides geologisch bedingte Strukturen.
Achten Sie auf Anzeichen wie schaumige, aufgewühlte Wasserlinien, die aufs Meer hinausführen, oder auf Treibgut, das sich schnell von der Küste entfernt. Schwimmen Sie niemals allein in abgelegenen Buchten und prüfen Sie vorab, ob Sie Mobilfunkempfang haben. Die geologische Schönheit der Calas ist unbestreitbar, aber sie erfordert auch ein Bewusstsein für die potenziellen, von der Natur ausgehenden Risiken. Der Respekt vor diesen Kräften ist der beste Schutz für einen sicheren und unbeschwerten Badetag.
Das Wichtigste in Kürze
- Mallorcas Höhlen sind durch den historischen Einfluss des Meeresspiegels geologisch einzigartig und unterscheiden sich grundlegend von kontinentalen Karsthöhlen.
- Die raue Schönheit der Serra de Tramuntana ist das direkte Ergebnis gewaltiger tektonischer Kräfte, was die Landschaft ebenso beeindruckend wie potenziell instabil macht.
- Die Küstenformationen der Insel sind dynamisch: Ihre geologische Beschaffenheit bestimmt sowohl ihre fotogene Pracht (Es Pontàs) als auch die unsichtbaren Gefahren (Klippeninstabilität, Strömungen).
Wie erleben Sie die Serra de Tramuntana authentisch, ohne Spuren zu hinterlassen?
Die Serra de Tramuntana ist das geologische Rückgrat Mallorcas und ein UNESCO-Welterbe von außergewöhnlicher Bedeutung. Sie authentisch zu erleben bedeutet, über die ausgetretenen Pfade hinauszugehen und eine tiefere Verbindung zur Landschaft aufzubauen. Der bekannte Weitwanderweg GR221 bietet eine fantastische, strukturierte Möglichkeit, das Gebirge zu durchqueren. Doch die wahre Authentizität liegt oft abseits dieser Hauptroute, auf den alten, fast vergessenen Pfaden, die einst das Lebenselixier der Bergdörfer waren.
Suchen Sie nach den „Camins de Ferradura“ (Hufeisenwege). Diese alten Maultierpfade, oft mit Trockensteinmauern gesäumt, schlängeln sich durch Olivenhaine, vorbei an alten Köhlerplätzen und verbinden entlegene Fincas. Auf diesen Wegen wandern Sie buchstäblich auf den Spuren der Geschichte und erleben die Landschaft so, wie sie über Jahrhunderte genutzt und geformt wurde. Hier ist das Erlebnis nicht konsumierbar, sondern erfordert Aufmerksamkeit und Respekt. Jeder Stein einer Trockensteinmauer wurde von Hand platziert und ist Teil eines fragilen Ökosystems, das von der UNESCO geschützt wird.
Ein authentisches Erlebnis ist untrennbar mit dem Prinzip verbunden, keine Spuren zu hinterlassen. Das bedeutet: Nehmen Sie all Ihren Müll mit, bleiben Sie auf den markierten Wegen, um die empfindliche Vegetation nicht zu zerstören, und respektieren Sie private Grundstücke. Die Serra de Tramuntana ist kein unberührtes Wildnisgebiet, sondern eine Kulturlandschaft, in der Mensch und Natur über Jahrhunderte eine Symbiose eingegangen sind. Sie authentisch zu erleben, heißt, Teil dieser respektvollen Beziehung zu werden, anstatt nur ein passiver Beobachter zu sein. Es ist eine Einladung, die Geologie, die Geschichte und die Kultur als untrennbare Einheit zu begreifen.
Jetzt, da Sie mit dem Wissen eines Geologen ausgestattet sind, ist der nächste Schritt, dieses Wissen in die Tat umzusetzen. Betrachten Sie Ihre nächste Wanderung nicht nur als sportliche Aktivität, sondern als eine Entdeckungsreise in die Erdgeschichte. Beginnen Sie noch heute damit, Ihren Ausflug zu planen und die verborgenen geologischen Wunder Mallorcas mit neuen Augen zu sehen.