Veröffentlicht am März 15, 2024

Die Nekropole von Son Real ist mehr als ein Ruinenfeld; sie ist ein Code, den Sie mit dem richtigen Wissen selbst knacken können.

  • Der Schlüssel liegt darin, die Vorbereitung im Museum als „Entschlüsselung“ zu nutzen, um die Fundstätten vor Ort wirklich zu verstehen.
  • Lernen Sie, am Mauerwerk, an den Steingrößen und Formen die „Sprache der Steine“ zu lesen und so die verschiedenen Epochen zu unterscheiden.

Recommandation: Behandeln Sie diesen Ort nicht als Touristenziel, sondern als archäologische Expedition. Mit dem hier vermittelten „Entdecker-Protokoll“ werden Sie vom passiven Betrachter zum aktiven Entdecker.

Stellen Sie sich vor, Sie wandern entlang der rauen Küste Mallorcas, die salzige Luft im Gesicht, das Rauschen der Wellen im Ohr. Vor Ihnen liegt nicht nur eine malerische Landschaft, sondern ein tausendjähriges Rätsel aus Stein: die Necrópolis de Son Real. Viele Besucher laufen an den alten Gräbern vorbei und sehen nur einen Haufen Steine. Sie folgen einem Pfad, machen ein Foto und gehen weiter. Der wahre Schatz, die Geschichte, die diese Steine erzählen, bleibt ihnen verborgen. Sie verlassen den Ort, ohne die faszinierenden Rituale, die einstigen Bewohner oder die dramatischen Kämpfe der legendären Steinschleuderer wirklich verstanden zu haben.

Die üblichen Reiseführer raten, einen Guide zu buchen oder sich auf die Informationstafeln zu verlassen. Doch was, wenn der wahre Reiz darin liegt, die Geheimnisse selbst zu lüften? Was, wenn die Befriedigung nicht im Konsumieren von Fakten, sondern im aktiven Entdecken liegt? Die wahre Magie von Orten wie Son Real entfaltet sich erst, wenn man lernt, die Landschaft wie ein Archäologe zu lesen. Es geht darum, den archäologischen Blick zu schärfen und die subtilen Hinweise zu erkennen, die die Zeit hinterlassen hat.

Dieser Guide verfolgt genau diesen Ansatz. Er ist Ihr persönliches Expeditionstraining. Wir werden die gängige Herangehensweise umkehren und Ihnen zeigen, wie Sie die Sprache der Steine selbst entschlüsseln. Anstatt Ihnen nur zu sagen, was Sie sehen, zeigen wir Ihnen, *wie* Sie sehen müssen. Wir rüsten Sie mit dem Wissen aus, um Mauerwerk zu deuten, Rituale zu rekonstruieren und die Geschichten hinter den Ruinen zum Leben zu erwecken. So wird Ihr Besuch in Son Real von einem einfachen Spaziergang zu einem unvergesslichen Abenteuer – eine persönliche Entdeckungsreise in die Tiefen der mallorquinischen Vorgeschichte.

In den folgenden Abschnitten finden Sie alles, was Sie für Ihre Expedition benötigen. Von der richtigen Vorbereitung über die Kunst der Spurenlesung vor Ort bis hin zum respektvollen Umgang mit diesem einzigartigen Erbe. Machen Sie sich bereit, Mallorca mit den Augen eines Entdeckers zu sehen.

Warum dürfen Sie in der Nekropole nicht auf den Steinen picknicken?

Auf den ersten Blick mag es wie eine harmlose und romantische Idee erscheinen: eine Rast mit Proviant inmitten jahrtausendealter Gräber, mit Blick auf das Mittelmeer. Doch ein Picknick auf den Steinen der Nekropole von Son Real ist mehr als nur unangebracht – es ist eine direkte Gefahr für das archäologische Erbe. Ein echter Entdecker versteht den Grundsatz: Respekt ist die Grundlage jeder Forschung. Das Verbot ist keine schikanöse Regel, sondern ein essenzieller Schutzmechanismus, der auf der empfindlichen Beschaffenheit der Materialien beruht.

Die Gräber sind aus lokalem Marès-Kalkstein gefertigt, einem porösen Gestein, das über die Jahrhunderte von Wind und Salz bereits stark beansprucht wurde. Fette, Säuren und Zucker aus Lebensmitteln und Getränken können tief in den Stein eindringen und dauerhafte Verfärbungen und irreparable Schäden verursachen. Selbst das Abstellen eines Rucksacks kann zu Abrieb führen, der in Sekunden zerstört, was Jahrtausende überdauert hat. Es geht also nicht nur um Sauberkeit, sondern um die physische Erhaltung der Substanz. Wer die Geschichte lesen will, darf die Seiten nicht beschädigen.

Glücklicherweise müssen Sie auf Ihre wohlverdiente Pause nicht verzichten. Das Schutzgebiet der Finca Pública de Son Real ist darauf ausgelegt, Naturerlebnis und Denkmalschutz zu vereinen. Folgen Sie einfach diesem einfachen Schutzprotokoll für verantwortungsbewusste Entdecker:

  1. Abstand halten: Bleiben Sie mindestens 50 cm von allen Steinstrukturen entfernt. Der poröse Marès-Kalkstein ist extrem säureempfindlich.
  2. Ausgewiesene Zonen nutzen: Am Rande des Kiefernwaldes, nur etwa 400 Meter von der Nekropole entfernt, finden Sie eine gut ausgestattete Picknickzone mit Tischen und Schattenplätzen.
  3. Vom Weg aus fotografieren: Betreten Sie niemals die Grabkammern oder klettern Sie auf die Mauern. Die besten Fotos entstehen ohnehin vom markierten Wanderweg aus, der die Integrität der Stätte wahrt.

Indem Sie diese einfachen Regeln befolgen, schützen Sie nicht nur die Nekropole für zukünftige Generationen, sondern beweisen auch den Respekt, der einen wahren Hobby-Archäologen auszeichnet. Das große Areal von Son Real umfasst rund 395 Hektar, die Nekropole selbst ist nur ein kleiner, aber kostbarer Teil davon.

Wie unterscheiden Sie vor Ort römische von talayotischen Mauerresten?

Wenn Sie durch Son Real wandern, betreten Sie ein Gebiet mit sichtbaren Zeit-Schichten. Hier nur „alte Steine“ zu sehen, wäre wie ein Buch zu betrachten, ohne die Buchstaben zu kennen. Die Fähigkeit, die verschiedenen Bautechniken zu unterscheiden, ist der Schlüssel, um die Sprache der Steine zu lernen. Die beiden dominanten „Dialekte“ in Son Real sind die talayotische und die römische Bauweise. Mit ein wenig Übung wird Ihr archäologischer Blick geschärft, und Sie können die Epochen direkt am Mauerwerk ablesen.

Die talayotische Kultur, die die Insel über ein Jahrtausend prägte, ist bekannt für ihre monumentale Zyklopenbauweise. Denken Sie an „massiv“ und „archaisch“. Die Erbauer nutzten riesige, kaum bearbeitete Steinblöcke, die sie ohne Mörtel passgenau aufeinanderschichteten. Diese Trockenmauertechnik zeugt von enormem Gemeinschaftsaufwand und einem tiefen Verständnis für Statik. Die Römer hingegen brachten nach ihrer Eroberung 123 v. Chr. eine völlig andere, von Effizienz und Systematik geprägte Ingenieurskunst mit.

Um diese Unterschiede zu visualisieren, achten Sie auf die Details des Mauerwerks. Die Fugen, die Größe der Steine und die Gesamtform der Strukturen sind Ihre wichtigsten Anhaltspunkte. Die folgende Abbildung zeigt beispielhaft das charakteristische talayotische Zyklopenmauerwerk.

Nahaufnahme des talayotischen Zyklopenmauerwerks mit großen unregelmäßigen Steinen ohne Mörtel

Die Unterschiede werden noch klarer, wenn man sie direkt gegenüberstellt. Bei den archäologischen Untersuchungen der William L. Bryant Foundation zwischen 1957 und 1970 wurden in Son Real 109 Grabstätten freigelegt, die hauptsächlich der talayotischen Zeit zugeordnet werden. Doch auch spätere Einflüsse sind sichtbar. Die folgende Tabelle dient Ihnen als praktischer Feld-Guide zur Identifizierung.

Erkennungsmerkmale: Talayotisch vs. Römisch
Merkmal Talayotische Bauweise Römische Bauweise
Steingrößen Riesige, unregelmäßige Blöcke (bis 2m) Kleinere, behauene Steine (20-40cm)
Verbindung Trockenmauertechnik ohne Bindemittel Opus caementicium mit sichtbarem Mörtel
Datierung Son Real 7.-4. Jahrhundert v.Chr. Ab 123 v.Chr. (Eroberung)
Typische Formen Runde/quadratische Türme, Naviformes Rechteckige Grundrisse, Apsiden

Warum sollten Sie das Museum besuchen, BEVOR Sie zu den Fundstätten fahren?

Für viele Reisende ist die Reihenfolge klar: Zuerst das Abenteuer, dann das Museum. Im Fall von Son Real ist dieser Ansatz ein fundamentaler Fehler, der Ihnen die tiefsten Einblicke verwehrt. Ein Archäologe würde niemals eine Ausgrabungsstätte betreten, ohne vorher das bereits bekannte Material studiert zu haben. Wenden Sie das „Decode-First-Prinzip“ an: Besuchen Sie zuerst das Museum, um den Code zu lernen, mit dem Sie die Landschaft später entschlüsseln können. Die Fundstätten sind die physischen „Texte“, aber das Museum liefert Ihnen das „Wörterbuch“ und die „Grammatik“.

Die Gräber und Mauern, die Sie heute sehen, sind nur das leere Skelett einer einst reichen Kultur. Die Seele, der Alltag und die Glaubensvorstellungen manifestieren sich in den Objekten, die den Toten mit auf ihre letzte Reise gegeben wurden: Waffen, Schmuck, Keramik. Diese unersetzlichen Originale sind aus Schutzgründen nicht mehr vor Ort, sondern sicher in den Museen untergebracht. Ohne sie gesehen zu haben, starren Sie in leere Gräber und können sich kaum vorstellen, was in ihnen lag. Das Museum füllt diese Leere mit Bedeutung.

Im Haupthaus der Finca Son Real befindet sich ein exzellentes Interpretationszentrum, das mit einem informativen Film und 3D-Rekonstruktionen der Bestattungsrituale einen perfekten Einstieg bietet. Hier wird der Kontext lebendig. Für die wichtigsten Fundstücke, insbesondere aus der Nekropole, ist ein Besuch im Museu Monogràfic de Pollèntia in Alcúdia unerlässlich. Dort stehen Sie den originalen Grabbeigaben gegenüber – den Bronzeschwertern, den kunstvollen Glasperlenketten und den geheimnisvollen Keramikgefäßen. Erst dann verstehen Sie, was für Menschen hier bestattet wurden. Dieser vorbereitende Schritt verwandelt die Steine von einem stummen Monument in einen beredten Zeugen.

Ihre Checkliste für das „Decode-First“ Prinzip

  1. Museu Monogràfic de Pollèntia (Alcúdia): Betrachten Sie hier die originalen Grabbeigaben aus Son Real. Sehen Sie die Waffen, Perlen und Keramiken aus dem 7.-4. Jh. v.Chr. und prägen Sie sich ihre Formen ein.
  2. Interpretationszentrum Son Real (Finca): Schauen Sie sich den einführenden Film an und studieren Sie die 3D-Rekonstruktionen der Bestattungsrituale, um die Anordnung der Gräber zu verstehen.
  3. Regionalmuseum Artà (optional): Falls Sie Zeit haben, vergleichen Sie hier die Funde mit denen aus anderen talayotischen Siedlungen Mallorcas, um den größeren Kontext der Inselkultur zu erfassen.

Der Fehler, ohne GPS-Koordinaten nach der Basilika von Son Peretó zu suchen

Die Expedition Son Real beschränkt sich nicht nur auf die berühmte Nekropole an der Küste. Versteckt im Hinterland liegt ein weiteres Juwel: die Überreste der frühchristlichen Basilika von Son Peretó. Sie zu finden, ist eine Herausforderung für sich und ein klassischer Test für den vorbereiteten Entdecker. Der größte Fehler, den Sie hier machen können, ist, sich auf Ihr Glück oder vage Wegbeschreibungen zu verlassen. Das Gebiet ist weitläufig, die Pfade sind nicht immer eindeutig, und Mobilfunkempfang ist in den ländlichen Teilen Mallorcas oft ein Luxus. Ohne präzise GPS-Koordinaten wird die Suche schnell zu einer frustrierenden Odyssee.

Die Dimensionen des Gebiets machen die Notwendigkeit einer präzisen Navigation deutlich. Die Nekropole selbst umfasst nur etwa 800 Quadratmeter, liegt aber eingebettet in das riesige, 395 Hektar große Landgut von Son Real. Die Basilika liegt davon abseits. Sich hier zu verirren ist leicht, den richtigen Abzweig zu finden schwer. Ein moderner Entdecker nutzt moderne Werkzeuge. Ihr Smartphone ist Ihr wichtigstes Navigationsgerät – vorausgesetzt, Sie haben es richtig vorbereitet.

Der Schlüssel liegt in der Nutzung von Offline-Karten. Apps wie OsmAnd oder Maps.me ermöglichen es Ihnen, Kartenmaterial vorab herunterzuladen und die GPS-Funktion Ihres Telefons ohne Internetverbindung zu nutzen. Dies ist in den Funklöchern Mallorcas von unschätzbarem Wert. Markieren Sie die Koordinaten der wichtigen Orte vor Ihrer Abreise als Favoriten. Für die Nekropole von Son Real lauten diese GPS: 39.7547, 3.1872. Für die Basilika von Son Peretó sind eigene Koordinaten zu recherchieren und zu speichern. So verwandeln Sie eine potenziell frustrierende Suche in eine gezielte und erfolgreiche Entdeckung.

So bereiten Sie Ihre Offline-Navigation vor:

  • App herunterladen: Installieren Sie OsmAnd oder Maps.me bei einer stabilen WLAN-Verbindung.
  • Karte speichern: Laden Sie die Offline-Karte für die Balearen oder speziell für Mallorca herunter.
  • Favoriten markieren: Suchen und speichern Sie „Necròpolis de Son Real“ und „Basílica de Son Peretó“ als Wegpunkte.
  • Funktion testen: Schalten Sie mobile Daten und WLAN aus und prüfen Sie, ob die App Ihren Standort auf der Karte korrekt anzeigt.

Was passiert, wenn Sie zufällig eine historische Scherbe am Boden finden?

Stellen Sie sich diesen Moment vor: Während Sie konzentriert den Boden absuchen, fällt Ihr Blick auf ein kleines, unscheinbares Stück geformten Tons. Eine Keramikscherbe, vielleicht mit einem feinen Muster. Ihr Puls steigt – ein echter Zufallsfund! Dies ist der Moment, in dem sich der Tourist vom verantwortungsbewussten Entdecker unterscheidet. Die erste, instinktive Reaktion vieler wäre, den Fund aufzuheben, ihn zu betrachten, ihn vielleicht sogar als Souvenir einzustecken. Doch genau das ist der größte Fehler, der den wissenschaftlichen Wert des Fundes für immer zerstören kann.

Ein archäologischer Fund ist ohne seinen Kontext wertlos. Die exakte Position, die Tiefe, die Ausrichtung und die umgebenden Materialien sind entscheidende Informationen für Archäologen. Wenn Sie eine Scherbe bewegen, löschen Sie diese wertvollen Daten unwiederbringlich. Die systematischen Ausgrabungen in Son Real begannen selbst erst 1957 nach einer zufälligen Entdeckung und wurden dann professionell durchgeführt. Jeder neue Fund, egal wie klein, ist ein Puzzleteil. Ihre Aufgabe als Entdecker ist es nicht, das Puzzle selbst zu lösen, sondern es intakt für die Experten zu dokumentieren.

Wenn Sie also einen potenziellen Fund machen, aktivieren Sie Ihr „Entdecker-Protokoll“. Es ist ein einfacher Dreischritt, der den Respekt vor der Wissenschaft beweist und einen aktiven Beitrag zur Forschung leistet.

Hände eines Archäologen dokumentieren vorsichtig einen Keramikfund mit Maßstab und Notizblock

Das richtige Vorgehen ist einfach und effektiv:

  1. NICHT berühren: Bewegen Sie den Fund auf keinen Fall. Fotografieren Sie ihn stattdessen aus verschiedenen Winkeln. Legen Sie eine Münze oder einen anderen Gegenstand mit bekannter Größe als Maßstab daneben.
  2. Position exakt markieren: Speichern Sie den Standort mit der GPS-Funktion Ihres Smartphones oder notieren Sie die Koordinaten manuell von Ihrer Offline-Karten-App.
  3. Fund melden: Senden Sie die Fotos und die exakten Koordinaten per E-Mail an das zuständige Denkmalamt oder das Museu Monogràfic de Pollèntia (patrimoni@alcudia.net). Sie haben damit einen wertvollen Beitrag geleistet.

Diese Vorgehensweise ist der Inbegriff des aktiven Entdeckens. Sie nehmen nicht nur passiv wahr, sondern werden Teil des Schutz- und Forschungsprozesses. Es ist ein weitaus befriedigenderes Gefühl als der Besitz eines illegalen Souvenirs.

Wie lebten die Menschen in dieser am besten erhaltenen Siedlung wirklich?

Die Steingräber und Mauern sind beeindruckend, aber sie sind nur die Hülle. Um Son Real wirklich zu verstehen, müssen wir versuchen, uns das Leben vorzustellen, das sich hier einst abspielte. Wer waren die Menschen, die diese Monumente errichteten und hier ihre Toten bestatteten? Die archäologischen Funde erlauben uns eine Ritual-Rekonstruktion und geben Einblicke in eine Gesellschaft im Wandel. Die Talayot-Kultur, die über 1000 Jahre die Insel prägte, markierte den Übergang von nomadischen Jägern und Sammlern zu sesshaften Bauern und Viehzüchtern.

Eine typische Talayot-Siedlung, wie sie auch in der Nähe von Son Real existierte, war ein kleines, befestigtes Dorf. Man geht davon aus, dass hier Gemeinschaften von etwa 100 Menschen lebten. Das Leben war hart und von den Zyklen der Natur bestimmt. Ackerbau und die Zucht von Ziegen, Schafen und Schweinen sicherten das Überleben. Die namensgebenden Talayots, die massiven Steintürme, dienten wahrscheinlich als Wachtürme, Statussymbole oder Orte für gemeinschaftliche Rituale. Das Leben war kollektiv, und die Gemeinschaft bot Schutz vor Gefahren von außen.

Die Nekropole selbst war ein heiliger Ort, der über Generationen hinweg genutzt wurde. Die unterschiedlichen Grabformen – von kleinen, höhlenartigen Anlagen bis hin zu Strukturen, die an umgedrehte Schiffe (sogenannte „Naviformes“) erinnern – deuten auf eine komplexe Gesellschaft mit sozialen Hierarchien hin. Die reichen Grabbeigaben, die in den Museen ausgestellt sind, beweisen dies: Während einige Gräber einfache Keramik enthielten, waren andere mit importierten Bronzewaffen und kostbarem Schmuck gefüllt. Dies lässt auf eine Elite von Kriegern oder Anführern schließen. Die Totenrituale waren also nicht für alle gleich, sondern spiegelten den Status der Person im Leben wider. Wenn Sie vor den Gräbern stehen, stellen Sie sich die Trauerzüge vor, die vom Dorf zur Küste zogen, um ihre Anführer mit allem Nötigen für das Jenseits auszustatten.

Warum führen viele Wanderwege über Privatgrund und wie verhalten Sie sich an den Toren?

Ihre Expedition nach Son Real ist auch eine Wanderung durch eine Kulturlandschaft, die seit Jahrhunderten von Mensch und Natur geformt wird. Ein besonderes Merkmal vieler Wanderwege auf Mallorca, auch rund um Son Real, ist, dass sie über privates Land (Fincas) führen. Dies ist das Ergebnis alter Wegerechte, die oft älter sind als die modernen Grundstücksgrenzen. Für viele Wanderer aus Deutschland ist dies ungewohnt und führt oft zu Unsicherheit, insbesondere wenn der Weg von einem Tor oder Gatter blockiert wird.

Diese Tore sind kein Zeichen dafür, dass der Weg gesperrt ist. Im Gegenteil, sie sind ein integraler Bestandteil der ländlichen Viehwirtschaft. Sie dienen dazu, Schafe, Ziegen oder andere Tiere auf einer bestimmten Weide zu halten. Das öffentliche Wegerecht erlaubt es Wanderern, diese Tore zu passieren, um dem markierten Pfad zu folgen. Entscheidend ist jedoch das richtige Verhalten, die „Tor-Etikette“. Ein falsch behandeltes Tor kann für den Finca-Besitzer großen Schaden bedeuten, wenn seine Herde entläuft. Respekt vor dem Eigentum und der Arbeit der lokalen Bevölkerung ist hier oberstes Gebot.

Die Wanderungen zur Nekropole sind gut ausgeschildert und bieten je nach Kondition und Zeitbudget unterschiedliche Längen. Die Wanderwege zur Nekropole variieren je nach Startpunkt; von Can Picafort aus ist es ein relativ kurzer Spaziergang von etwa 30 Minuten, während die Route von Son Serra de Marina mit ca. 1,5 Stunden eine ausgedehntere Wanderung darstellt. Auf beiden Wegen werden Sie wahrscheinlich auf Tore treffen. Merken Sie sich diese vier einfachen Regeln:

  • Regel 1: Öffnen und Schließen. Das ist die goldene Regel. Öffnen Sie das Tor, gehen Sie hindurch und schließen Sie es IMMER wieder sorgfältig hinter sich. Dies gilt auch, wenn Sie es bereits offen vorgefunden haben – vielleicht hat die Person vor Ihnen einen Fehler gemacht.
  • Regel 2: Auf dem Weg bleiben. Das Wegerecht gilt nur für den markierten Pfad. Verlassen Sie ihn nicht, um querfeldein zu laufen. Die umliegenden Flächen sind Privatgrund.
  • Regel 3: Tiere respektieren. Öffnen Sie Tore langsam, um Tiere nicht zu erschrecken. Halten Sie Abstand und vermeiden Sie bei Hofhunden direkten Augenkontakt und hektische Bewegungen.
  • Regel 4: Nichts hinterlassen. Es versteht sich von selbst, dass jeglicher Müll wieder mitgenommen wird.

Das Wichtigste in Kürze

  • Sehen lernen: Der Schlüssel zu Son Real ist nicht nur, die Ruinen zu finden, sondern zu lernen, die Baustile (talayotisch vs. römisch) zu unterscheiden und so die Geschichte direkt an den Steinen abzulesen.
  • Vorbereitung ist alles: Besuchen Sie zuerst das Museum (Decode-First-Prinzip), um die Funde zu sehen, die den leeren Gräbern erst ihre Bedeutung geben. Rüsten Sie sich mit Offline-GPS-Karten aus.
  • Handeln wie ein Profi: Respektieren Sie die Stätte (kein Picknick auf den Steinen) und befolgen Sie das „Entdecker-Protokoll“, falls Sie einen Zufallsfund machen (dokumentieren, nicht berühren, melden).

Wer waren die gefürchteten „Foners“, die für Karthago und Rom kämpften?

Wenn wir die Geschichte von Son Real abschließen, müssen wir über die beeindruckendsten Krieger sprechen, die diese Kultur hervorgebracht hat: die Foners Balears, die balearischen Steinschleuderer. Ihre Legende ist untrennbar mit der Talayot-Kultur verbunden und verleiht den kargen Ruinen eine menschliche Dimension von fast mythischer Kraft. Diese Krieger waren im gesamten antiken Mittelmeerraum berühmt und gefürchtet für ihre unheimliche Treffsicherheit und die tödliche Wirkung ihrer Geschosse.

Von Kindesbeinen an wurden die Jungen im Schleudern von Steinen trainiert. Es heißt, Mütter hätten ihren Söhnen das Brot auf einen Ast gelegt, und sie mussten es mit der Schleuder herunterholen, um essen zu dürfen. Ihre Waffen waren einfach, aber effektiv: Die Schleudern wurden aus geflochtenen Pflanzenfasern hergestellt, als Geschosse dienten speziell ausgewählte, faustgroße Steine oder später präzise gegossene Bleigeschosse, die oft mit Inschriften versehen waren. Die Foners trugen in der Regel drei Schleudern bei sich – eine um den Kopf, eine um die Hüfte und eine in der Hand, jede für eine andere Distanz.

Ihre Fähigkeiten waren so außergewöhnlich, dass sie zu den begehrtesten Söldnern der Antike wurden. Historische Aufzeichnungen belegen ihre militärische Bedeutung schon ab dem 5. Jahrhundert v. Chr. Sie kämpften auf der Seite Karthagos in den Punischen Kriegen und zogen mit Hannibal über die Alpen, um gegen Rom zu kämpfen. Ironischerweise waren es später dieselben Römer, die, beeindruckt von ihrer Kampfkraft, die Foners nach der Eroberung Mallorcas in ihre eigenen Hilfstruppen aufnahmen. Sie waren berüchtigt dafür, Schilde und Helme mit Leichtigkeit zu durchschlagen.

Wenn Sie also heute durch Son Real gehen, erinnern Sie sich daran, dass dies die Heimat der Vorfahren dieser legendären Krieger war. Die Männer, die in den Gräbern bestattet wurden, waren vielleicht selbst Foners oder die Väter und Großväter derer, deren Ruf durch das ganze Mittelmeer hallte. Dieses Wissen verbindet die stillen Gräber an der Küste mit den großen Schlachten der antiken Weltgeschichte und macht Ihre Entdeckungsreise komplett.

Jetzt sind Sie gerüstet. Beginnen Sie Ihr Abenteuer, wenden Sie Ihr neues Wissen an und entdecken Sie die Geheimnisse von Son Real auf eine Weise, die den meisten Besuchern verborgen bleibt.

Geschrieben von Hannah Dr. Fischer, Dr. Hannah Fischer ist Meeresbiologin und Geologin, die sich dem Naturschutz im Mittelmeerraum verschrieben hat. Sie arbeitet an Forschungsprojekten zur Posidonia-Seegraswiese und zur Wasserqualität der balearischen Küstengewässer.